Dr. Stephan Pauly,
Archiv für Presserecht 1992, S. 88

Zum Unterlassungsanspruch eines Abonnenten gegen Beilagenwerbung

§ 1 UWG; §§ 823, 1004 BGB

1.      Wird einem Betroffenen, der durch Aufschrift auf seinem Briefkasten keinen Werbeeinwurf wünscht, Werbung in Form eines Briefs als Beilage der von ihm abonnierten Zeitschrift in den Briefkasten eingeworfen, so stellt dies keine zu unterlassende Störung dar.

2.      Wenn der Abonnementvertrag im Verhältnis zwischen dem Abonnenten und dem Verlag bewirkt, daß die Beilagenwerbung nicht als Störung der Sphäre des Abonnenten anzusehen ist, so gilt dies auch im Verhältnis zwischen Abonnenten und dem mit einer Beilage werbenden Unternehmen.

Landgericht Bonn, Urteil vom 09. Januar 1992 - 15 O 341/91

Sachverhalt
Der Kläger ist Abonnent der Zeitschrift "X". Diese Zeitschrift erhält der Kläger als einzige unter einer Adresse. Dort wird sie in einem voradressierten Umschlag in den Briefkasten des Klägers durch die Deutsche Bundespost eingeworfen. Das Impressum der Zeitschrift enthält u.a. die Angabe "Zur Zeit gültige Anzeigenpreis-Liste Nummer 15 ab 01. Januar 1990" sowie "Verantwortlich für Anzeigen: ...". Ausdrückliche Angaben zur Beilagenwerbung sind im Impressum nicht enthalten.

Die dem Kläger am 18. Februar 1991 von der Post in den Briefkasten eingeworfene Ausgabe dieser Zeitung enthielt einen beigelegten Werbeprospekt des Beklagten, und zwar in Form eines verschlossenen, nichtadressierten Briefs. Der Kläger verlangt von dem Beklagten Unterlassung derartiger Werbung mit der Behauptung, an seinem Briefkasten befände sich ein Schild mit der Aufschrift "Reklameeinwurf verboten".

Mit Schreiben vom 21. Februar .1991 hat der Kläger den Beklagten insoweit abgemahnt und aufgefordert, eine Unterlassungserklärung abzugeben, was dieser ablehnte.

Der Kläger ist der Ansicht, er habe Anspruch auf Unterlassung der Beeinträchtigung seiner Privatsphäre durch Werbung in Form von Beilagen in einer abonnierten Zeitschrift. Insoweit lasse sich sein Persönlichkeitsrecht nur durch ein Beilageverbot in Zeitschriften ausreichend schützen, wobei dieses Persönlichkeitsrecht absoluten Vorrang vor den gewerblichen Interessen von Werbenden habe. Zudem sei sein Eigentumsrecht dadurch beeinträchtigt, daß er gerade an seinem Wohnort gehalten sei, das durch derartige Werbung anfallende Altpapier selbst zu entsorgen. Schließlich stelle die Werbung in Form von nichtadressierten, verschlossenen Briefen eine Umgehung der sonst üblichen Postwurfsendungen dar, gegen die sich der Kläger durch die Aufschrift "Reklameeinwurf verboten" auf dem Briefkasten zur Wehr setzen könnte.

Entscheidungsgründe
Die Klage war abzuweisen. Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch weder aus §§ 823, 1004 BGB noch aus §§ 1004, 903, 862 BGB zu.

Daß dem Kläger die Werbung des Beklagten in Form eines Brief als Beilage der vom Kläger abonnierten Zeitschrift in den Briefkasten geworfen wurde, stellt keine Störung im Sinne von § 1004 BGB dar. Vielmehr handelt es sich um eine sozial adäquate Beeinträchtigung, gegen die dem Kläger ein Unterlassungsanspruch nicht zusteht.

Der Kläger hat durch das Abonnement in die Zustellung der Zeitschrift eingewilligt. Dann aber ist es ein sozial typischer Vorgang, daß diese Zeitschrift gewöhnliche Anzeigen oder auch Beilagen enthält. Insoweit kommt es auf gesonderte Hinweise im Impressum oder im Abonnementvertrag nicht an. Der Kläger hat insoweit nicht substantiiert dargetan, daß die Zeitschrift "X" eine überwiegend für private Zwecke genutzte Zeitschrift sei und daß solche Zeitschriften keine Beilagenwerbung enthielten. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sind Beilagen in Zeitschriften eine allgemein übliche Form der Werbung.

Dem Abonnenten einer Zeitschrift steht auch gegenüber dem Verleger ein Anspruch auf Unterlassung von Beilagenwerbung nicht zu (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 1991, 2913 f.). Dies ergibt sich zwischen dem Abonnenten und dem Verlag bereits aus dem Abonnementvertrag. Wenn aber der Abonnementvertrag im Verhältnis zwischen dem Abonnenten und dem Verlag bewirkt, daß dort die Beilage nicht als Störung der Sphäre des Abonnenten anzusehen ist, gilt dies auch im Verhältnis zum Werbenden. Denn der Werbende kann nur mittelbarer Störer sein, während der Verlag unmittelbarer Störer sein müßte.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der neueren Rechtsprechung zu Unterlassungsansprüchen gegen Postwurfsendungen (vgl. BGH, NJW 89, 902 ff., OLG Bremen, NJW 90, 2140 ff.; KG, NJW 90, 2142; LG Hagen, NJW 91, 2911). Bezüglich der Postwurfsendungen ist mittlerweile anerkannt, daß demjenigen, der auf seinem Briefkasten einen entsprechenden Vermerk angebracht hat, ein Unterlassungsanspruch zusteht. Dies gilt auch dann, wenn die Postwurfsendung durch die Deutsche Bundespost eingeworfen wird. Dies liegt daran, daß bei wertender Betrachtung der Einwurf von Werbematerial in den Briefkasten als Eingriff in die Persönlichkeits- und Eigentumssphäre des Inhabers anzusehen ist. Hier liegt der Fall aber gerade anders als bei einer Werbeeinlage innerhalb einer Zeitschrift. Im letzteren Fall ist deshalb kein Eingriff gegeben, weil der Berechtigte in die Zustellung der Zeitschrift eingewilligt hat und es dann zu den üblichen Beeinträchtigungen gehört, daß diese Zeitschrift nicht nur gewöhnliche Anzeigen, sondern auch Beilagenwerbung enthält.

Daran ändert sich auch nichts dadurch, daß im vorliegenden Fall die Werbung in Form eines nichtadressierten Briefs erfolgte. Entgegen der Ansicht des Klägers, dies stelle eine Umgehung der Rechtsprechung zu Postwurfsendungen dar, steht es dem Beklagten frei, sein Werbematerial in der ihm günstig erscheinenden Verpackung beilegen zu lassen, soweit dies der entsprechende Zeitschriftenverlag akzeptiert. Abgesehen davon fehlt für eine Umgehung auch die erforderliche subjektive Komponente, weil der Beklagte - unstreitig - Werbung in Form von Postwurfsendungen noch nie verschickt hat.

Mitgeteilt von

RA Dr. Stephan Pauly, Bonn

Anmerkung
Die Briefkastenwerbung durch Postwurfsendungen beschäftigt zunehmen Praxis und Wissenschaft. Die Entscheidung des Landgerichts Bonn betrifft insoweit einen neuen Sachverhalt, als erstmals das Verhältnis Abonnement/Werber untersucht wurden, während beispielsweise die Entscheidung des OLG Karlsruhe das Verhältnis Abonnent/Verlag betraf. Das Landgericht Bonn hat entschieden, daß der Abonnent einer Zeitschrift von einem werbenden Unternehmen nicht Unterlassung der Beilagenwerbung verlangen kann, da es sich um eine sozialadäquate Beeinträchtigung handelt, in die der Abonnent eingewilligt hat. Es sei ein sozialtypischer Vorgang, daß eine Zeitschrift Werbebeilagen enthält. Daß dem Abonnenten einer Zeitung gegenüber dem Verleger ein Anspruch auf Unterlassung von Beilagenwerbung nicht zusteht, hatte das OLG Karlsruhe bereits festgestellt. Dies ergibt sich aus dem Abonnement-Vertrag, welcher zwischen dem Abonnenten und dem Verlag abgeschlossen wird. Willigt der Abonnent in die Zustellung der Zeitschrift zu den üblichen Bedingungen ein, muß er sich gefallen lassen, daß die Zeitschrift nicht nur gewöhnliche Anzeigen, sondern auch Beilagenwerbung enthält.

1. Keine Umgehung der "Postwurfrechtsprechung"

Der Auffassung des Landgerichts Bonn ist zuzustimmen. Es ist offenkundig, daß die Versendung adressatenloser Werbebriefe durch die Deutsche Bundespost etwas ganz anderes ist als die hier in Rede stehende Übersendung einer Zeitschrift an den Abonnenten. Auch die Verteilung von Prospektmaterial ist mit der Übersendung einer Abonnementzeitschrift nicht vergleichbar, weil der Abonnent mit Abschluß des Abonnementvertrages in die Belieferung mit Werbebeilagen eingewilligt hat und der Abonnent einer solchen Zeitschrift regelmäßig Adressat von Werbung ist. Es handelt sich also nicht um eine Umgehung der "Postwurfrechtsprechung", wenn ein Werbender Werbebeilagen in Abonnementzeitschriften verschickt. Es steht dem Werbenden frei, sein Werbematerial in einer ihm günstig erscheinenden Zeitschrift verteilen zu lassen, soweit dies der entsprechende Zeitschriftenverlag akzeptiert. Auch rechtlich besteht ein Unterschied zwischen der Beilagenwerbung in einer Abonnementzeitschrift und der Briefkastenwerbung mit (Post-) Wurfsendungen. Bei der Beilagenwerbung läßt das werbende Unternehmen das Werbematerial weder durch eigenes Personal oder durch ein Drittunternehmen noch anschriftslos durch die Post zustellen. Eine Abonnementzeitschrift mit Werbebeilage ist auch nicht einem Anzeigenblatt mit redaktionellem Teil vergleichbar. Sogenannte "Negativ-Aufkleber" gelten nur bei anschriftlosen Sendungen als Annahmeverweigerung. Der Zeitschriftenverlag ist wegen der unterschiedlichen geschäftlichen Zielsetzung nicht als Drittunternehmen anzusehen, welches einer Verteilerfirma gleichzustellen ist. Sein wirtschaftlicher Zweck ist die Vermarktung eines Presseerzeugnisses und die Teilnahme an der grundgesetzlich geschützten Meinungsbildung. Auch führt die Beilagenwerbung zu keiner Überfrachtung der Briefkästen, was gelegentlich als Argument für die Unzulässigkeit der Postwurfsendungen angeführt wurde. Der Zeitschriftenverlag ist in der Entscheidung frei, ob und in welcher Form (Texte, Inserate oder Beilagen) er Werbung bringen will. Der Abonnent hat nur Anspruch auf Belieferung mit der Zeitschrift in der Form, wie sie der Verlag bestimmt.

2. Güterabwägung
Auch eine Abwägung zwischen den Rechten des Abonnenten, den Rechten des Werbenden und den Rechten des Zeitschriftenverlags führt zu keinem anderen Ergebnis.

Die Rechtsprechung hat Unterlassungsansprüche des Empfängers unerwünschten Werbematerials damit begründet, daß ihm als Haus- und Wohnungseigentümer bzw. -besitzer gemäß §§ 1004, 903, 862 BGB das Recht zusteht, sich gegen eine Beeinträchtigung seiner räumlich-gegenständlichen Sphäre durch das Aufdrängen unerwünschten Werbematerials zur Wehr zu setzen. Neben den Unterlassungsansprüchen aus Eigentum und Besitz hat die Rechtsprechung ein Abwehrrecht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht bejaht. Dies wurde damit begründet, daß es dem Empfänger unerwünschter Werbung darum gehe, neben der Abwehr einer Beeinträchtigung seines räumlich-gegenständlichen Eigenbereichs auch einer Konfrontation mit der Suggestivwirkung der Werbung zu entgehen. Der einzelne habe das Recht, Aktivitäten entgegenzutreten, die unter gegenständlichem Eindringen in seine Privatsphäre Einfluß auf seine Konsumentscheidungen zu gewinnen suchten. Angesichts des Stellenwertes dieses Bereichs für eine individuelle Lebensgestaltung ohne Fremddiktat sei dies von grundsätzlichem Interesse, so daß entgegenstehende Interessen der Werbewirtschaft zurücktreten müßten.

Diese Rechtsgedanken vermögen ein Unterlassungsbegehren des Abonnenten nicht zu begründen. Hier fehlt es bereits am Aufdrängen unerwünschten Werbematerials, da der Abonnent mit Abschluß des Abonnementvertrages in die Übersendung von Werbebeilagen eingewilligt hat. Ebensowenig wie der Abonnent verlangen könnte, einen anzeigenfreien Sonderdruck der Abonnementzeitschrift zur Verfügung gestellt zu bekommen, kann er eine beilagenfreie Ausgabe der Zeitschrift beanspruchen. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstands, daß die Suggestivwirkung einer Beilage noch wesentlich geringer ist als die Suggestivwirkung einer Anzeige. Einer Werbebeilage kann man sich wesentlich einfacher entledigen als der in einer Zeitschrift befindlichen Anzeige, die nur durch Heraustrennen der entsprechenden Seite zu vernichten ist, was bei einseitiger Bewerbung zu einer teilweisen Vernichtung des redaktionellen Teils führt.

Der Abonnent muß gegen sich gelten lassen, daß die Beilagenwerbung ein sozialtypischer Vorgang ist, der das für ihn Zumutbare nicht überschreitet. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß die Annahme eines Unterlassungsanspruchs praktisch zu einem generellen Verbot der Beilagenwerbung in Zeitungen und Zeitschriften führen würde, da eine Aufteilung der Auflage zwischen Abonnenten, welche die Belieferung mit den Werbebeilagen ablehnen und Abonnenten, welche eine Belieferung mit Beilagen hinnehmen, nicht möglich ist. Hierdurch würden nicht nur die Rechte der Werbenden und der Werbewirtschaft, sondern vor allem die Rechte der Presse in gravierendem Umfang verletzt. Es ist offensichtlich, daß ein derart massives Werbeverbot die Rechte der Werbenden in unzumutbarer Weise verletzt. Anders als bei Postwurfsendungen ist ein Hinweis des Werbenden an die Verlage, die Beilage solchen Abonnenten nicht zu übersenden, die generell den Einwurf von Werbesendungen, z.B. durch entsprechenden Anschlag an ihrem Briefkasten untersagt haben, unmöglich. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick darauf, daß die Abonnenten bei Abschluß des Abonnementvertrages - zumindest konkludent - in die Bewerbung eingewilligt und dem Verlag keinen Hinweis darauf gegeben haben, daß sie eine Beilagenwerbung ablehnen. Würde der Abonnent die Abnahme einer Zeitschrift in der vom Verlag angebotenen Form verweigern und auf der Belieferung mit einer Ausgabe der Zeitschrift ohne Beilagen bestehen, wäre dies - nach Abschluß des Abonnementvertrages - eine Änderung des Vertragsgegenstands, worauf der Abonnent keinen Anspruch hat. Der Verlag dürfte unter diesen Umständen den Abonnementvertrag kündigen. Ebenso dürfte der Verlag einen Neuabschluß unter den vom Abonnenten gestellten Bedingungen ablehnen, da ein Abschlußzwang nicht besteht.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Hinweis "Keine Werbung!" am Briefkasten des Abonnenten im übrigen zu respektieren ist. Irgendeine Rechtsbeziehung besteht zwischen dem Abonnenten und dem Werbenden nicht. Es existiert lediglich eine Rechtsbeziehung zwischen dem Abonnenten und dem Verlag. Nachdem der Abonnent eine Zeitschrift mit Werbeunterlagen abonniert hat, braucht der Werbende keine Schritte zu unternehmen, um den Verlag dazu anzuhalten, dem Abonnenten die Abonnementzeitschrift ohne Beilage zuzustellen. Aus Sicht des Werbenden stellte sich deshalb die Beilage in der Abonnementzeitschrift als rechtmäßige Werbemaßnahme dar. Insofern hat der Werbende auch alles Zumutbare unternommen, um den Abonnenten vor irgendwelchen Rechtsbeeinträchtigungen zu schützen. Hinzu kommt, daß der Verlag regelmäßig tatsächlich nicht in der Lage sein wird, den Wunsch eines Abonnenten auf Belieferung ohne Beilage zu erfüllen. Die Aussonderung einzelner Abonnenten ist so aufwendig, daß sich ein solches Abonnement für den Zeitschriftenverlag wirtschaftlich nicht mehr lohnt.

Auch aus der Interessenlage des Verlages heraus ist ein Anspruch des Abonnenten auf Unterlassung der Beilage abzulehnen. Man mag sich einmal die Auswirkung eines Beilagenwerbeverbotes auf die Presse vor Augen führen. Seit der Einführung von Hörfunk- und vor allem Fernsehwerbung beklagen die Verleger deren Auswirkungen auf die ökonomischen Grundlagen der gedruckten Medien. Die gedruckten Medien stützen sich in ganz erheblichem Maße auf die Erträge aus Werbung. Große Einbrüche, die ein Werbeverbot mit Beilagen zur Folge hätte, könnten eine "Spirale des Niedergangs" einleiten. Bei einem durchschnittlichen Zeitschriftenverlag macht die Werbung einen Anteil von 40 % der Einnahmen aus. Die für die freie Meinungsbildung unverzichtbare Presse ist existentiell auf Einnahmen aus dem Werbegeschäft angewiesen. Es ist offensichtlich, daß ein Beilagenverbot die wirtschaftliche Basis der freien Presse erheblich beeinträchtigen würde. Das konkrete Ausmaß der zu erwartenden Veränderungen ist kaum abschätzbar.

Der Staat ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet, dem Postulat der Freiheit der Presse Rechnung zu tragen und die Pressefreiheit zu schützen. Dieser erstreckt sich auch auf das für die Erfüllung der meinungsbildenden Funktion erforderliche ökonomische Rückgrat. Dazu gehört die Erhaltung der wirtschaftlichen Grundlage als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit. Dies bedeutet zwar nicht die Garantie wirtschaftlicher Interessen. Geschützt wird jedoch die freie geistige Betätigung und der Meinungsbildungsprozeß. Aus dem Zweck des Schutzes der Pressefreiheit und der kommunikativen Funktion der Presse als Massenmedium folgt, daß die Presse auf ein hohes Maß an Unabhängigkeit angewiesen ist. Die Presse kann nur dann einen eigenständigen Beitrag zur Meinungsbildung leisten, wenn sie vom Staat und wirtschaftlichen Machtgruppen unabhängig ist. Dies setzt die wirtschaftliche Selbständigkeit der Presse voraus. Presseorgane sind also auf eigene Einnahmen angewiesen. Bei privatwirtschaftlicher Organisation sind dies in erster Linie Einnahmen aus Vertrieb und Werbung. Demgegenüber sind die Interessen der Abonnenten an einer beilagenfreien Belieferung nachrangig.

 

3. Zusammenfassung
Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß sich die Zulässigkeit der Beilagenwerbung in Abonnementzeitschriften bereits aus dem Abschluß des Abonnementvertrages und der daraus resultierenden Einwilligung des Abonnenten in die Belieferung mit der Beilage der Werbenden ergibt. Das Verbot der Werbung mit Beilagen beeinträchtigt nicht nur den Werbenden in unzumutbarer Weise in der Ausübung seines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs, sondern stellt auch einen massiven Eingriff in die Pressefreiheit der Verlage und damit wegen der grundsätzlichen Bedeutung einen Angriff auf das Grundrecht der Pressefreiheit in der gesamten Bundesrepublik Deutschland dar. Die Interessen des Abonnenten sind nicht verletzt, da es sich um einen sozialtypischen Vorgang handelt und die Beeinträchtigung des Abonnenten auch nicht unverhältnismäßig ist. Der Abonnent muß deshalb die Beilagenwerbung auch dann dulden, wenn er seinen Briefkasten mit einem sogenannten "Negativ-Aufkleber" kennzeichnet.