Dr.
Stephan Pauly,
Der Betrieb 1996, S. 1731
Betriebliche
Altersversorgung: Keine Anpassung der Betriebsrente bei fehlender angemessener
Eigenkapitalverzinsung
BetrAVG
§ 16
Hat
in dem Dreijahreszeitraum vor dem Anpassungsstichtag keine angemessene
Verzinsung des Eigenkapitals stattgefunden, ist der Arbeitgeber zur Anpassung
der Betriebsrente gemäß § 16 BetrAVG nicht verpflichtet (Leits. der Red.)
ArbG Siegburg, Urteil vom 12.3.1996 - 5 Ca 1295/92; rkr.)
Die
Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Betriebsrente
des Klägers ab 1992 anzupassen. Ein eingeholtes Gutachten ist zu dem Ergebnis
gelangt, daß die wirtschaftliche Lage der Beklagten eine Anpassung wegen
fehlender Eigenkapitalverzinsung nicht zuläßt. Das Gericht hat sich dem
angeschlossen und die Klage abgewiesen.
Aus
den Gründen: Der Gutachter stellt fest, daß eine angemessene Eigenkapitalverzinsung
in dem zu berücksichtigenden Zeitraum nicht vorgelegen hat. Von dem Wertzuwachs,
aus dem der Beklagten ausreichend Mittel zur Verfügung stünden, um die
Mehrbelastung aus der Anpassung zu finanzieren, ohne daß Arbeitsplätze
in Gefahr gerieten, könne schon deshalb nicht die Rede sein. Dabei stellt
er fest, daß die von der Beklagten zu Beginn des Jahres 1992 aufgestellte
Prognose sich in den folgenden Jahren bestätigt hat. Durchschnittlich
ergibt sich nämlich für die Jahre vor der begehrten Anpassung eine Eigenkapitalrentabilität
von minus 2,59 %, für die Jahre 1992 bis 1994 eine Eigenkapitalverzinsung
sogar von Minus 23,54 %. Das Eigenkapital der Beklagten hat sich also
in dem hier für die erstmalig begehrte Anpassungsentscheidung maßgeblichen
Zeitraum von drei Jahren vor und nach dem Anpassungsstichtag nicht verzinst.
Der
Gutachter hat darüber hinaus geprüft, ob ein anderes Ergebnis dann zustande
kommt, wenn er nicht vom 3-Jahresdurchschnitt ausgeht, sondern jeweils
ein Jahr mit dem Folgejahr vergleicht. Auch hier zeigt sich ein Minus
bei der Eigenkapitalverzinsung von 19,05 %.
Sodann
hat der Gutachter, eingehend auf den Vortrag des Klägers bezüglich der
außerordentlichen Erträge und außerordentlichen Aufwendungen diese außer
Acht gelassen und lediglich auf das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit
der Beklagten in den Jahren 89 bis 94 abgestellt. Hier ergibt sich zwar
ein geringer Überschuß, nämlich von 7,33 % für die Zeit bis 1991 einschließlich,
jedoch ein Minus für die nachfolgenden 3 Jahre in Höhe von 8,63 %. Hierzu
stellt der Gutachter fest, daß selbst dann, wenn man allein die Rendite
der bis zum Anpassungsstichtag verstrichenen Jahre betrachten würde, von
einer positiven Eigenkapitalverzinsung nicht ausgegangen werden kann,
weil sie unter der Angemessenheitsgrenze liegt und zwar unter Berücksichtigung
des unternehmerischen Risikozuschlages.
Ist
also nach allen möglichen Gesichtspunkten festzustellen,
daß das Eigenkapital der Beklagten sich in dem zu prüfenden Zeitraum
nicht angemessen verzinst hat, dann kann die begehrte Anpassung nicht
erfolgen, da diese eine solche Verzinsung voraussetzt.
Anmerkung
von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Stephan Pauly,
Bonn
Rechtsprechung
und Literatur beschäftigen sich seit nunmehr zwei Jahrzehnten mit der
Frage, wie die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers im Rahmen der Anpassungsprüfung
nach § 16 BetrAVG zu berücksichtigen ist. In der Praxis hat sich erwiesen,
daß eine Prognose der wirtschaftlichen Lage anhand der von Literatur und
Rechtsprechung entwickelten Einzelkriterien sehr schwierig ist.
Wenn
heute gefordert wird, die Anpassungsvorschrift des § 16 BetrAVG nicht
nur in ihren Modalitäten, sondern vom Ansatz und vom Grundsätzlichen her
zu überprüfen und eine neue, der heutigen Situation und ihren Anforderungen
besser gerecht werdende Regelung zu suchen, sollte der Gesetzgeber auch
einen Maßstab zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage in das Reformgesetz
aufnehmen.
Bis
dahin ist allerdings die Rechtsprechung gefordert, nach Wegen zu suchen,
derartige Rechtstreite für alle Parteien kalkulierbar zu machen. Diesem
Erfordernis trägt ein Modell zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage
Rechnung, das Höfer entwickelt hat. Das Modell basiert auf der Grundaussage
des BAG, daß "die Kosten der Anpassung aus den Erträgen eines Unternehmens
und dessen Wertzuwachs finanzierbar sein müssen", wenn keine Substanzgefährdung
eintreten soll. Nach Auffassung des BAG darf eine angemessene Eigenkapitalverzinsung
nicht unberücksichtigt bleiben. Die angemessene Eigenkapitalverzinsung
wird ermittelt, indem der Gewinn vor Steuern i. S. des § 250 Abs. 2, 3
HGB in das Verhältnis zum Eigenkapital gesetzt wird. Dabei ist vom gesamten
Eigenkapital des Unternehmens auszugehen, also dem Grund- bzw. Stammkapital,
dem Anteil der persönlich haftenden Gesellschafter, den Gewinnrücklagen,
dem Gewinnvortrag und dem Jahresüberschuß bzw. Jahresfehlbetrag (Eigenkapital
i.S. des § 266 Abs. 3 a HGB).
Um
außergewöhnliche Einflüsse eines einzelnen Jahresabschlusses zu mildern,
ist die durchschnittliche Eigenkapitalrentabilität der letzten drei Jahre
vor dem Pflichtprüfungstermin anzusetzen. Dieser Wert ist um die Ergebnisse
der Prognoserechnung zu ergänzen, wobei der Prognosehorizont ebenfalls
drei Jahre nicht übersteigen sollte.
Der
Dreijahreszeitraum bietet sich für die Prognose an, weil der Gesetzgeber
diese Zeitmarke in § 16 BetrAVG generell vorgegeben hat. Für die Wahl
des Dreijahreszeitraums spricht aber auch die Wertung des Steuerrechts,
das eine Verteilung der Zuführung zur Pensionsrückstellung auf drei Jahre
zuläßt, wenn bestimmte Sachverhalte vorliegen (vgl. § 6 a Abs 4 EStG).
Ergibt
sich dann, daß im Durchschnitt der betrachteten Zeiträume die Eigenkapitalverzinsung
negativ war, ist eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Anpassung nach
§ 16 BetrAVG nicht gegeben.
Das
nachfolgende Berechnungsbeispiel belegt, wie einfach die Handhabung des
von Höfer entwickelten Modells in der Praxis ist. Es bedarf regelmäßig
nicht einmal mehr der Einholung kostspieliger Sachverständigengutachten,
da der Jahresüberschuß/Jahresfehlbetrag und das Eigenkapital aus der Bilanz
ersichtlich sind.
Jahr |
Jahresüber-schuß/- fehlbetrag |
Eigenkapital |
|
1992 |
./. 780.000 |
: 10.000.000 |
= ./. 7,8 % |
1993 |
./. 3.496.000 |
: 8.000.000 |
= ./. 43,7 % |
1994 |
+ 1.764.000 |
: 9.000.000 |
= + 19,6 % |
Gesamt |
./. 2.512.000 |
27.000.000 |
|
Durchschnitt
der Jahre
1992 - 1994 |
./. 837.333 |
: 9.000.000 |
= ./. 9,3 % |
Im
Beispielsfall ergibt sich aus dem Durchschnitt der Jahre 1992 bis 1994
eine durchschnittliche Eigenkapitalrentabilität in Höhe von -9,3 %. Die
Berechnung der Prognose ist entsprechend für die Folgejahre durchzuführen.
Ist die Prognose negativ, weil die Eigenkapitalverzinsung im Durchschnitt
ebenfalls negativ ist, entfällt eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur
Anpassung nach § 16 BetrAVG, weil in dem streitgegenständlichen Zeitraum
keine Eigenkapitalverzinsung stattgefunden hat.
Denkbar
wäre auch ein modifizierter Ansatz, in dem man das Ergebnis des Jahres
in das Verhältnis zum Eigenkapitalbestand des Vorjahres stellt.
Demnach
muß die so ermittelte Eigenkapitalverzinsung die Verzinsung festverzinslicher
Wertpapiere zzgl. eines angemessenen Risikozuschlages überschreiten. Ein
Risikozuschlag von 2 bis 3 Prozent erscheint geboten, da das im Unternehmen
investierte Kapital einem erheblichen höheren Risiko als bei Anlage in
festverzinslichen Wertpapieren ausgesetzt ist. Die Rendite für festverzinsliche
Wertpapiere läßt sich aus den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank
entnehmen.
Kommt
man nach den vorstehenden Kriterien zu dem Ergebnis, daß die Anpassungsentscheidung
positiv auszufallen habe, bedarf es noch einer Liquiditätsprüfung, um
sicherzustellen, daß die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens fortdauert.
Gegebenenfalls muß eine an sich gebotene Anpassung aufgeschoben werden,
bis der Liquiditätsengpaß beseitigt ist. Bei der Liquiditätsprüfung ist
nicht nur darauf abzustellen, in welcher Höhe die Liquidität des Unternehmens
durch den Mehraufwand der höheren Renten belastet wird. Vielmehr ist auch
zu berücksichtigen, daß sich die Bilanz insoweit verschlechtert, als zu
den regelmäßig schon gebildeten Pensionsrückstellungen eine weitere Zuführung
in der Mehrbelastung aus der vorzunehmenden Anpassung erfolgen muß. Dabei
ist unerheblich, daß die Rückstellung nach § 6 a EStG mit 6 % abzuzinsen
ist. Bei diesem Rechnungszins handelt es sich lediglich um einen kalkulatorischen
Zins, aus dem nicht abgeleitet werden kann, daß eine hinreichende Verzinsung
des tatsächlich eingesetzten Kapitals stattgefunden hat.
Die
vorgeschlagene Lösung hat den Vorteil der Praktitabilität. Für die Betroffenen
ist ein derartiges Ergebnis nachvollziehbar. Den Beratern wird die Prognose
über die Erfolgsaussichten eines Anpassungsrechtsstreits erleichtert.
Es sprechen also gute Gründe dafür, daß sich die Rechtsprechung dem Vorschlag
Höfers anschließen wird. Dies ist erstmals mit der Entscheidung des ArbG
Siegburg vom 12.03.1996 der Fall. Das Gericht hat zu der Frage Stellung
genommen, wie bei einer Anpassungsprüfung im Rahmen des § 16 BetrAVG die
wirtschaftliche Lage zu würdigen ist. Das ArbG Siegburg hat in seiner
Entscheidung darauf abgestellt, daß eine angemessene Eigenkapitalverzinsung
in dem zu berücksichtigenden Zeitraum nicht vorgelegen hat. Da sich das
Eigenkapital der beklagten Gesellschaft in dem zu prüfenden Zeitraum nicht
angemessen verzinst hatte, konnte die begehrte Anpassung nicht erfolgen,
da diese nach der zutreffenden Auffassung des Arbeitsgerichts Siegburg
eine solche Verzinsung voraussetzt.

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