Dr.
Stephan Pauly/Dr. Irini Ahouzaridi
Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 1996, 221
Europäischer
Betriebsrat oder Europa-Forum
- Risiken und Chancen einer freiwilligen Vereinbarung über die Errichtung
EU-weiter Gremien der Arbeitnehmer vor der Umsetzung der EU-Richtlinie
in das nationale Recht -
Dr.
Stephan Pauly, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bonn
Irini Ahouzaridi, Rechtsanwältin, Bonn
I. Zielsetzung der Richtlinie
Nach langjähriger Vorarbeit hat die
Europäische Kommission am 22.09.1994 die Richtlinie 94/45/EWG verabschiedet,
die die Einrichtung "Europäischer Betriebsräte" regelt. Auf
der Grundlage von Art. 2 Abs. 2 des Abkommens über die Sozialpolitik des
Vertrages von Maastricht (das sog. Elfer-Abkommen) ist Zielsetzung der
Richtlinie die grenzüberschreitende Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer
in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen.
Großbritannien hat das Abkommen nicht unterzeichnet. Österreich, Finnland
und Schweden haben durch ihren Beitritt zum 01.01.1995 das Gemeinschaftsrecht
übernommen.
Die Umsetzungsfrist beträgt zwei Jahre.
II. Wesentlicher Inhalt der Richtlinie
1. Geltungsbereich
Der Geltungsbereich erstreckt sich
auf Unternehmen und Unternehmensgruppen in den Mitgliedstaaten (d.h. EU
ohne Großbritannien) mit mindestens 1000 Beschäftigten insgesamt, davon
jeweils mindestens 150 Arbeitnehmer in mindestens zwei Mitgliedstaaten
(Art. 2 RL).
Die vorgeschriebenen Schwellenwerte
für die Beschäftigtenzahl (1000/150) werden nach der Zahl der im Durchschnitt
während den vorangegangenen zwei Jahren beschäftigten Arbeitnehmern festgelegt.
Teilzeitbeschäftigte zählen mit. Sie werden allerdings nach der pro rata
temporis Regel mitgerechnet, d.h. es hat eine anteiligte Bewertung zu
erfolgen. Maßgebend für die Ermittlung der Beschäftigtenzahl sind die
jeweils einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten. Im
deutschen Recht kommen als Maßstäbe für die Ermittlung der Regelbeschäftigtenzahl
des § 23 KSchG oder die zu § 1 BetrVG, § 17 KSchG entwickelten Grundsätze
in Betracht, d.h. entscheidend ist die Beschäftigtenzahl bei regelmäßigem
Gang des Betriebes. Umstritten ist, ob die leitenden Angestellten unter
den Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie fallen. Dies wird teilweise verneint.
Hiergegen wird jedoch von der Literatur zu Recht eingewandt, die Funktion
des Europäischen Betriebsrates sei der des Wirtschaftsausschuß im Sinne
des Betriebsverfassungsgesetzes ähnlich. Daraus ergibt sich, daß es keinen
Grund gibt, dieser Beschäftigtengruppe die Teilnahme zu verweigern. Außerdem
sind auch die leitenden Angestellten schutzbedürftig. Auch aus Arbeitgebersicht
dürfte eine Beteiligung der leitenden Angestellten wünschenswert sein,
um die Managementposition zu stärken.
Als Arbeitnehmervertreter definiert
Art. 2 der RL die nach den Rechtsvorschriften und/oder den Gepflogenheiten
der Mitgliedstaaten vorgesehenen Vertreter der Arbeitnehmer. Arbeitnehmervertreter
ist keineswegs nur der im Sinne des deutschen Betriebsverfassungsgesetzes
von der Belegschaft "gewählte" Arbeitnehmervertreter, sondern
ebenfalls der nach dem nationalen Arbeitsrecht beispielsweise in Italien
oder Frankreich bestellte Gewerkschaftsvertreter im Betrieb.
Die in Art. 3 RL enthaltene Definition
des Begriffes "herrschendes Unternehmen" ist auf den Anwendungsbereich
der Richtlinie zugeschnitten. Ein Unternehmen kann z.B. aufgrund von Eigentumsrechten,
finanzieller Beteiligung oder sonstigen Bestimmungen, die die Tätigkeit
des Unternehmens regeln, einen beherrschenden Einfluß auf ein anderes
Unternehmen ausüben. Nicht erforderlich ist die tatsächliche Ausübung
der Leitungsmacht. Die Beantwortung der Frage, ob tatsächlich ein herrschendes
Unternehmen vorliegt, richtet sich nach dem nationalen Recht. Unterliegt
das Unternehmen nicht dem Recht eines Mitgliedstaates, weil sich das beherrschende
Unternehmen außerhalb der EU oder in Großbritannien befindet, so ist das
Recht des Mitgliedstaates maßgeblich, in dem der Vertreter des Unternehmens
liegt oder, in Ermangelung eines solchen, die Zentrale Leitung desjenigen
Unternehmens innerhalb einer Unternehmensgruppe ansässig ist, das die
höchste Anzahl von Arbeitnehmern aufweist.
Um Umsetzungs- und Beweisschwierigkeiten
zu vermeiden, wird die Möglichkeit, einen beherrschenden Einfluß auszuüben,
bis zum Beweis des Gegenteiles unterstellt, wenn ein Unternehmen in Bezug
auf ein anderes Unternehmen direkt oder indirekt
·
die Mehrheit des gekennzeichneten
Kapitals dieses Unternehmens besitzt oder
·
über die Mehrheit der
mit den Anteilen an dem anderen Unternehmen verbundenen Stimmrechte verfügt
oder
·
abhängig von der dualistischen
oder monistischen Unternehmensverfassung mehr als die Hälfte der Mitglieder
des Verwaltungs-, Leitungs-, oder Aufsichtsorgans des anderen Unternehmens
bestellen kann.
Mit dieser Definition stellt die Richtlinie
nicht auf den deutschen Konzernbegriff ab, der allerdings in den meisten
Mitgliedstaaten der EU ohnehin durch den Rechtsbegriff der Unternehmensgruppe
verdrängt wird. Geht man streng von dem Wortlaut aus, so ergibt sich für
die Bundesrepublik Deutschland ein kaum haltbares Ergebnis: Da es auf
die Rechtsform des herrschenden (wie des abhängigen) Unternehmens nicht
ankommt, ist auch eine Holding in Form von Kapital- und Personengesellschaften,
als Familiengesellschaft oder als Erbengemeinschaft, selbst als Einzelkaufmann
einbezogen, unabhängig davon, ob die Holding überhaupt einen Arbeitnehmer
beschäftigt. Die Richtlinie hat die Probleme, die entstehen, wenn die
Holding keinerlei Personalverantwortung gegenüber den Mitarbeitern der
zentralen Leitung wahrnimmt, nicht geregelt. Deshalb wird in der Literatur
die Auffassung vertreten, daß der Begriff der "Zentralen Leitung"
nicht formal zu definieren ist, sondern daneben inhaltlich als Regeltatbestand
voraussetzt, daß die Zentrale Leitung auch die zentrale Leitung des Personalwesens
mit umfaßt. Anderenfalls greift die "angemessene Leitungsebene"
ein, weil nur so der Sinn der Richtlinie, die Unterrichtung und den Dialog
über die Entscheidungen, die sich auf die Arbeitnehmer auswirken"
zu ermöglichen, erfüllt werden kann.
Nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 3 RL werden
bestimmte Ernennungs- oder Stimmrechte im abhängigen Unternehmen dem herrschenden
Unternehmen zugerechnet, wenn diese zwar formal im eigenen Namen, aber
für Rechnung des herrschenden oder eines anderen von diesem abhängigen
Unternehmen mit ausgeübt werden. Hierdurch sollen Umgehungsmöglichkeiten
verhindert werden. Hierdurch sollen Umgehungsmöglichkeiten verhindert
werden. Erfaßt werden dadurch beispielsweise Treuhandkonstellationen,
wobei der Bereich der verdeckten Treuhand vollkommen unklar bleibt.
2. Errichtungsverfahren
Die Aufnahme von Verhandlungen über
die Einrichtung Europäischer Betriebsräte kann durch die Unternehmensleitung
initiiert werden. Anderenfalls bedarf sie eines schriftlichen Antrages
von mindestens 100 Arbeitnehmern aus mindestens zwei Betrieben oder Unternehmen
in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten. Auf die Einrichtung eines Europäischen
Betriebsrates kann auch (zeitweise) verzichtet werden.
Das Verfahren der Errichtung des Europäischen
Betriebsrates ist in der Richtlinie differenziert ausgestaltet. Wesentliches
Element ist, daß Umfang, Zusammensetzung, Zuständigkeit und Arbeitsweise
des Europäischen Betriebsrates nicht durch die Richtlinie, sondern durch
schriftliche Vereinbarung zwischen der "Zentralen Leitung" des
jeweiligen Unternehmens oder der Unternehmensgruppen einerseits und einem
"Besonderen Verhandlungsgremium" der Arbeitnehmer andererseits
festgelegt werden.
Das "Besondere Verhandlungsgremium"
der Arbeitnehmer hat mindestens 3 und höchstens 17 Mitgliedern (Art. 5
Abs. 3 b RL). Bei der Wahl oder Benennung der Mitglieder ist darauf zu
achten,
·
mindestens ein Vertreter
für jeden Mitgliedstaat, in dem sich ein oder mehrere Betriebe oder Unternehmen
befinden, bestellt wird und
·
zusätzliche Vertreter
aus den jeweiligen Mitgliedstaaten entsprechend dem Zahlenverhältnis der
Beschäftigten vorgesehen werden.
Das Besondere Verhandlungsgremium setzt
sich aus gewählten Vertretern der Arbeitnehmer des Unternehmens oder der
Unternehmensgruppe zusammen, wobei sich die Einzelheiten nach dem nationalen
Recht richten. Der nationale Gesetzgeber kann also eine Wahl durch die
Belegschaften, eine Entsendung durch Betriebsräte oder eine Bestimmung
durch die Gewerkschaften vorsehen. Durch dieses Verfahren soll dem Grundsatz
der Autonomie der Sozialpartner in besonderer Weise Rechnung getragen
werden.
In Deutschland soll die Bestellung
der inländischen Arbeitnehmervertreter durch den Gesamtbetriebsrat erfolgen.
Besteht nur ein Betriebsrat, so bestellt dieser die Mitglieder des besonderen
Verhandlungsgremiums.
Daran wird deutlich, daß die Einrichtung
des Europäischen Betriebsrates keine Harmonisierung der einzelstaatlichen
Regelungen zur Arbeitnehmervertretung zum Ziel hat. Vielmehr ist im Richtlinienentwurf
das Instrument des Vertrages gewählt worden, damit nationalen Besonderheiten
in einem Höchstmaß Rechnung getragen werden kann.
Liegt die Zentrale Leitung des Unternehmens
nicht innerhalb der EU, ist ein verantwortlicher Vertreter zu benennen.
Um Unklarheiten und Umgehungsmöglichkeiten zu verhindern, enthält Art.
4 Abs. 3 RL eine Vermutungsregelung: Es gelten der oder die Vertreter
oder, in Ermangelung von Vertretern, die Leitung des Unternehmens als
Zentrale Leitung im Sinne der Richtlinie.
Ist das besondere Verhandlungsgremium
geschaffen, beruft die Zentrale Leitung mit diesem eine Sitzung ein, um
eine Vereinbarung über die Errichtung eines Europäischen Betriebsrates
auszuhandeln und abzuschließen. Im Rahmen der Verhandlungen kann sich
das besondere Verhandlungsgremium durch Sachverständige seiner Wahl unterstützen
lassen (Art. 5 Abs. 4 RL). Die Kosten hierfür sind im Rahmen der Angemessenheit
von der Zentralen Leitung zu tragen. Die Einzelheiten legt das nationale
Recht fest. Damit bleibt bis zur Umsetzung unklar, was angemessen ist.
Jedenfalls besteht die Möglichkeit einer Beschränkung der Kostenübernahme
auf einen Sachverständigen.
3. Inhalt der Vereinbarung
Kommen die Verhandlungen über die Errichtung
eines Europäischen Betriebsrates zum Abschluß, ist eine schriftliche Vereinbarung
zu schließen. Nach Art. 6 Abs. 2 und 3 RL sind folgende Grundmodelle vorgesehen:
Regelfall ist die Einrichtung eines
Unterrichtungs- und Anhörungsgremiums (Europäischer Betriebsrat). In der
Vereinbarung sind folgende Festlegungen zu treffen:
·
die von der Regelung
betroffenen Unternehmen oder Betriebe,
·
Zusammensetzung des Europäischen
Betriebsrates, Anzahl der Mitglieder, Sitzverteilung und Mandatsdauer,
·
Befugnisse und das Unterrichtungs-
und Anhörungsverfahren,
·
Ort, Häufigkeit und Dauer
der Sitzungen des Europäischen Betriebsrates,
·
bereitzustellende finanzielle
und materielle Mittel sowie die
·
Laufzeit der Vereinbarung
und das bei ihrer Neuaushandlung anzuwendende Verfahren.
Alternativ kann durch schriftlichen
Beschluß der Zentralen Leitung und des besonderen Verhandlungsgremiums
ein (dezentrales) Unterrichtungs- und Anhörungsverfahren vorgesehen werden.
Die Vereinbarung muß Vorschriften darüber enthalten, unter welchen Bedingungen
die Arbeitnehmervertreter das Recht haben, zu einem Meinungsaustausch
über die ihnen übermittelten Information zusammenzutreten.
Für den Abschluß einer derartigen Vereinbarung
ist die Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Besonderen Verhandlungsgremiums
erforderlich (Art. 6 Abs. 5 RL).
Wichtig ist, daß im Falle des Abschlusses
einer Vereinbarung über die Errichtung eines Europäischen Betriebsrats
die Bestimmungen des Anhangs der Richtlinie keine Anwendung finden. Diese
enthalten nur subsidiär anwendbare Mindestvorschriften. Allerdings kann,
was aufgrund der weitgehenden Dispositionsfähigkeit der Verhandlungspartner
nicht verwundert, Gegenteiliges vereinbart werden (Art. 6 Abs. 4 RL),
d.h. es sind Abweichungen zugunsten der Arbeitgeber möglich und zulässig.
4. Die subsidiären Vorschriften
Im Anhang zu Art. 7 RL sind Mindestregelungen
enthalten, die in das nationale Recht transferiert werden müssen. Diese
subsidiären Rechtsvorschriften finden Anwendung, wenn
·
ein entsprechender Beschluß
der Zentralen Leitung und des Besonderen Verhandlungsgremiums gefaßt ist
oder
·
die Unternehmensleitung
binnen sechs Monate nach dem Antrag der Arbeitnehmer die Verhandlungsaufnahme
verweigert oder
·
binnen 3 Jahre nach dem
ersten Antrag keine Vereinbarung nach Art. 6 RL zustandekommt und das
Verhandlungsgremium keinen Beschluß über die Beendigung der Verhandlungen
getroffen hat.
Die subsidiären Vorschriften enthalten
Mindeststandards, die im Anhang der Richtlinie im einzelnen niedergelegt
sind und im wesentlichen den Art. 1 bis 6 RL entsprechen. In der Literatur
wird die Auffassung vertreten, daß der Mindestkatalog zugleich ein Maximalkatalog
sei. Weitergehende Regelungen eines Mitgliedstaates könnten sonst Hoheitsrechte
anderer Mitgliedstaaten beeinträchtigten. Deshalb sei u.a. der bisherige
Abs. 3 des Art. 12 gestrichen worden, der den Mitgliedstaaten die Möglichkeit
eröffnete, günstigere Vorschriften zu erlassen.
Im Anhang zu Art. 7 RL ist für den
Europäischen Betriebsrat folgendes festgelegt:
·
Zuständigkeiten, Zusammensetzung,
Größe,
·
fakultative Bildung eines
geschäftsführenden Ausschusses,
·
Geschäftsordnung,
·
Wahl oder Benennung der
Mitglieder,
·
Zusammentreten,
·
Unterrichtung und Anhörung
hinsichtlich bestimmter Tatbestände sowie
·
weitere Beteiligungstatbestände
und Verfahrensregelungen.
Von besonderer Bedeutung für die Beratungspraxis
sind die Regelungen der Zuständigkeit, des Zusammentreten, der Hinzuziehung
von Sachverständigen und der Kostenerstattung.
Die Zuständigkeit des Europäischen
Betriebsrates beschränkt sich auf die Unterrichtung und Anhörung über
Angelegenheiten, die einen übernationalen Bezug haben. Es müssen also
stets die Arbeitnehmer in mindestens zwei verschiedenen Mitgliedstaaten
betroffen sein.
Der Europäische Betriebsrat ist befugt,
mindestens einmal jährlich mit der Zentralen Leitung zum Zwecke der Unterrichtung
und Anhörung zusammenzutreten. Dem Europäischen Betriebsrat ist ein Bericht
über die Entwicklung der Geschäftslage und die Perspektiven des transnationalen
Unternehmens oder der transnationalen Unternehmensgruppe vorzulegen. Über
folgende Punkte ist der Europäische Betriebsrat zu unterrichten:
·
Struktur des Unternehmens,
·
wirtschaftliche und finanzielle
Situationen,
·
voraussichtliche Entwicklung
der Geschäfts-, Produktions- und Absatzlage
·
Beschäftigungslage und
ihre mutmaßliche Entwicklung,
·
Investitionen, grundlegende
Änderungen der Organisation,
·
Einführung neuer Arbeits-
und Fertigungsverfahren,
·
Verlagerung der Produktions,
Fusionen, Massenentlassungen etc.
Außerhalb der regelmäßigen jährlichen
Informationen ist der Europäische Betriebsrat - u.U. vertreten durch einen
engeren Ausschuß - bei Eintreten außergewöhnlicher Umstände, die schwerwiegende
Folgen für die Belegschaft haben, zu beteiligen.
Der Europäische Betriebsrat kann Sachverständige
hinzuziehen, sofern dies zur Erfüllung seiner Pflichten "erforderlich"
ist. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Erforderlichkeit läßt einen angemessenen
Spielraum für eine einzelfallbezogene Betrachtung, wird aber andererseits
auch dazu führen, daß Unklarheiten und Streitigkeiten entstehen. Den Mitgliedstaaten
ist die Befugnis eingeräumt, Bestimmungen über die Begrenzung der Sachverständigenkosten
auf die eines Sachverständigen, zu treffen.
Die Verwaltungsausgaben des Europäischen
Betriebsrates gehen zu Lasten der zentralen Leistung. Das Unternehmen
hat die Mitglieder des Europäischen Betriebsrates mit ausreichenden finanziellen
und materiellen Mitteln auszustatten, damit es zusammentreten und seine
Aufgaben in angemessener Weise wahrnehmen kann. Insbesondere trägt der
Arbeitgeber die für die Veranstaltung der Sitzung anfallenden Kosten einschließlich
der Dolmetscherkosten sowie die Aufenthalts- und Reisekosten für die Mitglieder
des Unterrichtungs- und Anhörungsgremiums, soweit nichts Gegenteiliges
vereinbart wurde. Die Mitgliedstaaten können Regelungen über die Übernahme
der Verwaltungsausgaben gesetzlich regeln. Diese den Arbeitgeber treffende
Kostenbelastung rechtfertigt es, die Veranstaltungen des Europäischen
Betriebsrates auf ein Mindestmaß zu beschränken, um einen Eurobetriebsratstourismus
auf Kosten der Arbeitgeber zu verhindern. Summenmäßige Festlegungen sind
aber nicht vorgesehen. Auch die Mitgliedstaaten sind nicht befugt, bestimmte
Gruppen von Kosten von der Erstattungspflicht auszunehmen.
Die Regelung in der Richtlinie ähnelt
zwar sehr dem deutschen Betriebsverfassungsgesetz. Es gibt jedoch einen
grundliegenden Unterschied:
Der Katalog der Aufgaben und Befugnisse
des Europäischen Betriebsrats enthält keine Mitbestimmungsrechte,
sondern beschränkt sich auf die unteren Beteiligungsstufen Information
und Konsultation. Mitbestimmungsrechte können zwar freiwillig zugestanden
werden. Hiervon ist jedoch dringend abzuraten, weil dadurch der unternehmerische
Entscheidungsspielraum erheblich eingeschränkt wird. Eine echte Mitbestimmung
führt in der Praxis dazu, die Durchsetzbarkeit unternehmerischer Entscheidungen
auf unabsehbare Zeit zu verzögern. Außerdem wird ein Erpressungspotential
zugunsten des Europäischen Betriebsrates geschaffen, der durch die Verweigerung
der Zustimmung wichtiger Unternehmerentscheidungen blockieren kann, bis
der Arbeitgeber Zugeständnisse gemacht hat.
5. Weitergeltung bestehender Vereinbarungen
Nach Art. 13 gilt die Richtlinie nicht
für solche gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen,
in denen im Zeitpunkt der Umsetzung der Richtlinie bereits bestehende
Vereinbarungen übergreifender Unterrichtung und Anhörung angewendet wird.
Eine bereits geltende Vereinbarung stellt die einzige Alternative zu den
gesetzlich vorgesehenen Regelungen dar und sollte deshalb in jedem Einzelfall
in Betracht gezogen werden. Hierbei ist allerdings zu beachten, daß der
Abschluß derartiger freiwilliger Vereinbarungen nur noch bis zum 21.09.1996
möglich ist, weil dann die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt ist.
6. Wahl/Benennungsverfahren
Das Verfahren für die Wahl oder Benennung
der Mitglieder des besonderen Verhandlungssgremiums, die in ihrem Hoheitsgebiet
zu wählen oder zu benennen sind, richtet sich nach dem Recht des jeweiligen
Mitgliedstaates. Bei der Zusammensetzung nach dem Repräsentationsprinzip
ist die Vertretung durch ein Mitglied für jeden Mitgliedstaat, in dem
das Unternehmen vertreten ist, sicherzustellen. Die Anzahl der zusätzlichen
Mitglieder legt der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Zentrale
Leitung ansässig, entsprechend der Zahl der jeweils beschäftigten Arbeitnehmer
fest (Proportionalitätsprinzip).
7. Vertrauensvolle Zusammenarbeit
Die Zentrale Leitung und der Europäische
Betriebsrat bzw. die Arbeitnehmervertretung im Rahmen eines anderweitigen
Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung haben mit dem Willen zur Verständigung
zusammenzuarbeiten.
8. Tendenzschutzregelungen
Die Mitgliedsstaaten können besondere
Bestimmungen für solche Unternehmen vorsehen, die in Bezug auf Berichterstattung
und Meinungsäußerung unmittelbar und überwiegend eine bestimmte weltanschauliche
Tendenz verfolgen, falls das nationale Recht solche besondere Bestimmungen
im Zeitpunkt der Annahme der Richtlinie bereits enthält. Deutschland hat
als einziges EU-Mitgliedsland eine solche Regelung (§ 118 BetrVG). Damit
stellt sich die Frage, ob bundesdeutsche Tendenzunternehmen gänzlich von
den Regelungen der Richtlinie ausgenommen werden. Dies wird in der Literatur
mit dem Argument verneint, daß die Möglichkeit zum Erlaß besonderer Bestimmungen
in dem Artikel, der den Vertraulichkeitsgrundsatz festschreibt, steht.
Dies könne nur bedeuten, daß Medienunternehmen einen erweiterten Vertraulichkeitsgrundsatz
erhalten können, nicht jedoch, daß solche Unternehmen vom grundsätzlichen
Informationsanpruch der Richtlinie generell ausgenommen werden können.
Der Gesetzgeber der Bundesregierung
beschränkt die Unterrichtung und Anhörung bei Tendenzbetrieben auf grundlegende
Änderungen der Organisation, die Einführung neuer Arbeits- und Fertigungsverfahren,
die Verlegung von Unternehmen, Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen
sowie Verlagerung der Produktion, Zusammenschlüsse oder Spaltungen von
Unternehmen und Betrieben, die Einschränkung oder Stillegung von Unternehmen,
Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen, Massenentlassungen sowie auf
die Unterrichtung und Anhörung bei außergewöhnlichen Umständen, die erhebliche
Auswirkungen auf die Interessen der Arbeitnehmer haben.
9. Schutz der Arbeitnehmervertreter
Nach Art. 10 der Richtlinie können
die Mitglieder des Besonderen Verhandlungsgremiums, die Mitglieder des
Europäischen Betriebsrates und die Arbeitnehmervertreter, die bei dem
Unterrichtuns- und Anhörungsverfahren nach Art. 6 Abs. 3 mitwirken, bei
der Wahrnehmung ihrer Aufgaben den gleichen Schutz und gleichartige Sicherheiten
wie die Arbeitnehmervertreter nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften
und/oder Gepflogenheiten des Landes in dem sie beschäftigt sind, in Anspruch
nehmen. Daraus wird gefolgert, daß im deutschen Recht die Mitglieder des
Europäischen Betriebsrates denselben Schutz genießen wie die nationale
Betriebsratsmitglieder.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung
sieht für die Mitglieder eines Europäischen Betriebsrates, die im Inland
beschäftigt sind, die entsprechende Anwendung der §§ 37 Abs. 1-5m 78,
103 BetrVG sowie § 15 Abs. 1, 3-5 KSchG vor. Entsprechender Schutz gilt
für die Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums und die Arbeitnehmervertreter
im Rahmen eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung.
Da die nationalen Regeln sehr unterschiedlich
sind, liegt die Gefahr der Schaffung einer Mehrklassengesellschaft unter
den Mitgliedern des Europäischen Betriebsrates nicht fern.
Eine so weitgehende Umsetzung des Art.
10 RL ist unangesmessen und rechtswidrig. Die Norm muß vielmehr so verstanden
werden, daß der Schutz lediglich im Bezug auf die Teilnahme an den Sitzungen
und die daraus folgenden Auswirkungen auf die Entgeltfortzahlung zu verstehen
ist. Nur durch eine solche Auslegung kann vermieden werden, daß für die
Mitglieder desselben Gremiums sehr unterschiedliche Regelungen gelten.
Hinzu kommt, daß der Sonderkündigungsschutz im Rahmen des Europäischen
Betriebsrates nicht durchführbar ist. In § 103 BetrVG ist die Möglichkeit
der außerordentlichen Kündigung mit Zustimmung des Betriebsrates vorgesehen.
Es ist in der Praxis nicht durchführbar, den Europäischen Betriebsrat
über Rechtsvorschriften entscheiden zu lassen, die den Mitgliedern überhaupt
nicht bekannt sind.
10. Einhaltung der Richtlinie
Nach Art. 11 hat jeder Mitgliedstaat
dafür Sorge zu tragen, daß die Leitung der in seinem Hoheitsgebiet gelegenen
Betriebe eines gemeinschaftsweit operierenden Unternehmens und ihre Arbeitnehmervertreter
ihre festgelegten Verpflichtungen nachkommen, unabhängig davon, ob sich
die Zentrale Leitung in seinem Hoheitsgebiet befindet. Diese Regelung
führt jedoch zu einer Zersplitterung der Verantwortlichkeiten, des Rechtsweges
und der jeweils anzuwendenden nationalen Normen. Einerseits ist für die
Einsetzung des Europäischen Betriebsrates und für das Verfahren der Unterrichtung
und Anhörung die Zentrale Leitung zuständig. Auf der anderen Seite hat
nach Art. 11 jeder Mitgliedstaat dafür Sorge zu tragen, daß den Verpflichtungen
aus der Richtlinie entsprochen wird. Dies setzt zunächst voraus, daß die
Mitgliedsstaaten die Richtlinie rechtzeitig umsetzen, was aber eher unwahrscheinlich
ist.
III. Freiwillige Vereinbarungen
1. Vorteile einer freiwilligen Vereinbarung
In Art. 13 der Richtlinie wird bestimmt,
daß bereits geltende Vereinbarungen durch die Regelungen der Richtlinie
nicht außer Kraft gesetzt werden. In diesem Fall können die Partner frei
gewählt werden, die Arbeitnehmervertreter müssen nicht "be appointed,
designed or elected according to national practises/legislation as prescribed
by the Directive". Die vertragschließenden Parteien können vereinbaren,
wie die Regelung mit Wirkung für alle Arbeitnehmer des Unternehmens umgesetzt
werden soll, und vor allem, diese Partner können die getroffene Vereinbarungen
verlängern. Damit haben sie auch das Recht, notwendige Anpassungen während
der Laufzeit der Vereinbarung, z. B. bei gesellschaftsrechtlichen oder
strukturellen Veränderungen der Unternehmensorganisation, vorzunehmen.
Bei der Gestaltung einer freiwilligen
Vereinbarung ist formell auf folgendes zu achten. Die Vereinbarung muß
alle in den Mitgliedsstaaten beschäftigten Arbeitnehmer des Unternehmens
oder der Unternehmensgruppe erfassen und eine Vertretung der Arbeitnehmer
aus den Mitgliedsstaaten vorsehen, in denen das Unternehmen oder die Unternehmensgruppe
einen Betrieb hat. Nur wenn diese Kriterien erfüllt sind, hat die Vereinbarung
eine gesetzesverdrängende Wirkung. Für die Wirksamkeit einer gesetzesverdrängenden
Vereinbarung reicht es aus, wenn auf der Arbeitnehmerseite die nach dem
Betriebsverfassungsgesetz zuständige Arbeitnehmervertretung, also der
Gesamtbetriebsrat in einem gemeinschaftsweit tätigen Unternehmen mit Sitz
im Inland oder der Konzernbetriebsrat in einer Unternehmensgruppe die
Vereinbarung beschlossen hat. Für Unternehmen ohne Gesamtbetriebsrat müssen
alle in den einzelnen Betrieben bestehende Betriebsräte beim Abschluß
der Vereinbarung beteiligt sein. Alternativ kommt in Betracht, nicht eine
einzige Vereinbarung, sondern mehrere Vereinbarungen abzuschließen. Dies
ist insbesondere dann empfehlenswert, wenn es sich um Unternehmen und
Unternehmensgruppen mit besonderen Strukturen (Spartenorganisation, Bildung
regionaler Schwerpunkte, unterschiedliche Organisation von Produktion
und Vertrieb o.ä.) handelt. Bestehende Vereinbarungen können an zeitlich
nachfolgende Strukturänderungen des Unternehmens oder der Unternehmensgruppe
angepaßt werden.
Durch eine freiwillige Vereinbarung
kann eine maßgeschneiderte Unternehmensregelung geschaffen werden, die
auch schwierigsten Konstellationen eines Konzerns oder einer Holding zu
genügen vermag. Auch wird den Besonderheiten einzelner Betriebe, spezieller
organisatorischer Strukturen und Delegationen von Entscheidungsbefugnissen
auf nachgeordnete Unternehmensebenen hinreichend Rechnung getragen.
Mit einer Vereinbarung, die die Voraussetzungen
des Art. 13 erfüllt, können neben den Fragen der Organisation und der
Struktur des Verfahrens, auch materiell zu behandelnde Themen, die Mechanismen
zur Konfliktlösung, einschließlich der Festlegung - z.B. des deutschen
Rechts und des Gerichtsstandes, Kosten etc. verbindlich geregelt werden.
Der dann eintretende Bestandsschutz des Art. 13 - als Folge der Erfüllung
der von der Richtlinie dafür geforderten Verpflichtungen - bedeutet, daß
die Anwendung der subsidiären Vorschriften ausgeschlossen ist. Es können
keine erneuten Verhandlungen erzwungen werden - auch nicht durch neue
hinzukommende Einheiten; die subsidiären Vorschriften des Anhangs kommen
nicht zur Anwendung.
Natürlich muß soweit wie möglich sichergestellt
werden, daß die Vereinbarung nicht ersatzlos endet, z.B. durch Zeitablauf
oder Kündigung, da dann unmittelbar die Richtlinien zur Anwendung kommt.
Da Art. 13 Abs. 2 den Parteien ausdrücklich das Recht zur Verlängerung
der Vereinbarung einräumt, kann davon ausgegangen werden, daß es auch
in ihrer Dispositionsfreiheit liegt, die Modalitäten zur Beendigung und
Fortsetzung der Vereinbarung von vornherein zu regeln. Dazu könnten außer
einem völligen Verzicht auf das Recht zur ordentlichen Kündigung gehören:
Kündigungsfristen, Regelung für den Fall der Unwirksamkeit wesentlicher
Bestandteile der Vereinbarung, auflösende Bedingungen, falls bestimmte
Ziele nicht erreicht werden, oder sogar auch eine freiwillige Nachwirkung,
vergleichbar der betriebsverfassungsrechtlichen Systematik.
In drei Punkten ändert sich jedoch
spätestens ab dem 22.09.1996 die Verhandlungsposition für beide Seiten.
Vorgeschrieben sind ab diesem Datum:
·
die Parteien des Verfahrens
·
das Verfahren selber,
einschließlich entsprechende Fristen
·
die Folgen im Nichteinigungsfall.
Vor der Umsetzung der Richtlinien können
Unternehmensleitung und Konzern oder Gesamtbetriebsrat alle genannten
Themen auf der Basis langjähriger Zusammenarbeit und gegenseitiger Kenntnis
aber nicht auf der Grundlage relativ gesicherter und bekannter Rechtspositionen
regeln. Die Nutzung bereits existierender oder bewährter Institutionen
oder Verfahren ist möglich, z.B. die terminliche Zusammenlegung und organisatorische
Verknüpfung mit länderspezifischen Veranstaltungen, in Deutschland z.B.
Gesamt-oder Konzernbetriebsratsitzungen, Betriebsräteversammlungen etc.
Diese Ausgangsposition verändert sich
spätestens ab dem 22.09.1996 in eine durch Vorgaben des Gesetzgebers der
Disposition der Betriebsparteien entzogene Situation. Bei einer Gesamtwürdigung
der widerstreitenden Interessen der Geschäftsleitung und der Arbeitnehmervertreter
kann man vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung und insbesondere
des Zeitfaktors davon ausgehen, daß derzeit rechtlich und tatsächlich
beide Seiten im Ergebnis gleichwertige Ausgangspositionen haben. In jedem
Fall besteht Freiheit für Verhandlungen bei ausgeglichenen Chancen und
Risiken. Diese Situation verändert sich aber zunehmend zu Lasten der Unternehmensleitungen.
Der spätestens ab September 1996 vorgeschriebene arbeitnehmerseitige Verhandlungspartner
wird seine Position auf der für ihn sicheren - und zeitlich dann nicht
mehr so fernen - Basis der subsidiären Vorschriften aufbauen, die, je
schwieriger und damit länger die Verhandlungen sich gestalten, für ihn
immer wichtiger wird. Die dann noch gegebene Zeitspanne von vielleicht
ein bis zwei Jahren reicht nicht mehr aus, um das durch ein solches Faustpfand
geschaffene Ungleichgewicht für Verhandlungen auszugleichen. Die angebliche
Freiheit und Flexibilität der Richtlinie für die Gestaltung entsprechender
Vereinbarungen bis hin zum Verzicht auf irgendeine Regelung bieten dann
tatsächlich nur noch "Scheinvorteile" gegenüber freiwilligen
Vereinbarungen vor der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht.
Es erscheint deshalb auch aus Unternehmersicht
derzeit vorteilhafter, wenn die Richtlinie einschließlich der subsidiären
Vorschriften im Anhang keine rechtliche Bedeutung gewinnt. Durch die freiwilligen
Vereinbarungen kann eine maßgeschneiderte Unternehmensregelung geschaffen
werden, die auch schwierigsten Konstellationen des Konzerns oder einer
Holding zu genügen vermag.
Auch wird den Besonderheiten einzelner
Betriebe, spezieller organisatorischer Strukturen und Delegationen von
Entscheidungsbefugnissen auf nachgeordnete Unternehmensebenen hinreichend
Rechnung getragen, was die Richtlinie von vornherein so nicht vermag.
Des weiteren erlaubt Art. 13 RL durch
den Vorrang der freiwilligen Vereinbarungen, daß die jeweilige nationale
"Handschrift" Vorrang besitzt, also für das Informations- und
Anhörungsverfahren jeweils die bekannten und vertrauten nationalen Regelungen
freiwillig genutzt und entgegen der Richtlinie zur Geltung gebracht werden.
Zudem drückt sich in den freiwilligen
Vereinbarungen gemäß Art. 13 RL die besondere partnerschaftliche Prägung
aus, wie sie in einzelnen Mitgliedsstaaten, vor allem in der Bundesrepublik
Deutschland, durchaus an Verbreitung gewinnt. Diese sozialpartnerschaftliche
Prägung erlaubt vertrauensvolle eigenständige Regelungen, ohne daß eine
Minderung der Zielrichtung der Richtlinie zu befürchten ist.
Weiterhin dienen die freiwilligen Vereinbarungen
nicht zuletzt einer besonderen Vertrauensbildung zwischen den Sozialpartnern,
der Belegschaft und der Unternehmensleitung. Die freiwilligen Vereinbarungen
bieten eine besondere Chance für die Erprobung neuer und bislang völlig
unbekannter Verfahren und Einrichtungen der gemeinschaftsweiten Anhörung
und Information der Arbeitnehmer, was allerdings aus Sicht der Unternehmensleitung
als eher nachteilig empfunden werden dürfte. Die freiwilligen Vereinbarungen
bieten die Möglichkeit, einerseits den Besonderheiten des einzelnen Unternehmens
mehr gerecht zu werden, als dies nach Umsetzung der Richtlinie möglich
sein wird. Andererseits erlauben sie die Vereinbarung von Informations-
und Anhörungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer zum Zwecke unternehmensspezifischer
Motivation aller Mitarbeiter über die Grenzen hinweg.
Die freiwilligen Vereinbarungen ermöglichen
darüberhinaus durch Gerichtsstandsklauseln die Wahl des Gerichtes am Ort
der zentralen Leitung. Ob dies wirklich ein äußerst wichtiger Beitrag
zur Wahrung des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit aber auch zur
Rechtsdurchsetzung ist, muß sich in der Praxis allerdings noch zeigen,
da ein verfahrensmäßiges Instrumentarium jedenfalls im deutschen Recht
bisher fehlt. Man könnte jedoch an eine analoge Anwendung der Vorschriften
über das Beschlußverfahren denken, bis der nationale Gesetzgeber einschlägige
Regelungen geschaffen hat.
Der Arbeitgeber kann - in Abweichung
von dem in Art. 5 RL vorgesehenen besonderen Verhandlungsgremium - den
in Deutschland bestehenden Betriebsrat zu Verhandlungen auffordern. Dies
ist vorteilhaft, soweit in anderen EG-Ländern die Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsbewegungen
noch größeren Einfluß haben als in Deutschland. Für den deutschen Arbeitgeber
dürfte es insgesamt vorteilhafter sein, mit den ihm bekannten deutschen
Betriebsratsmitgliedern zu verhandeln.
In einer freiwilligen Vereinbarung
sind besondere Regelungen zulässig, die die Kosten des Europäischen Betriebsrates
nicht ausufern lassen. Allerdings sind diese Kosten im Falle der freiwilligen
Vereinbarung bereits früher zu zahlen. Da jedoch davon auszugehen ist,
daß die Richtlinie in der Bundesrepublik noch in diesem Jahr umgesetzt
wird, werden die Kosten auf jeden Fall spätestens in einigen Jahren anfallen.
Schließlich kann im Rahmen der freiwilligen
Vereinbarung die Geltungsdauer flexibel geregelt werden. Der Arbeitgeber
kann je nach Verlauf der Verhandlungen entscheiden, ob er an einer langfristigen
oder an einer kurzfristigen Bindung Interesse hat.
Die Richtlinie sieht ein sehr umständliches
Verfahren für die Einrichtung des Europäischen Betriebsrates durch das
besondere Verhandlungsgremium vor. Durch eine freiwillige Regelung kann
gerade dieses Verfahren, das nicht nur zeitraubend, sondern auch kostenträchtig
ist (vgl. Art. 4, 5 der RL), vermieden und eine unternehmensangepaßte
Lösung ermöglicht werden. Durch die Beteiligung des deutschen Gesamtbetriebsrates
kann das Unternehmen gewährleisten, daß der Einfluß anderer europäischer
Gewerkschaften möglichst gering bleibt.
2. Möglicher Inhalt einer freiwilligen Vereinbarung
Eine mögliche Vereinbarung sollte nebst
einer allgemeinen Präambel, welche auch die Zielsetzung beschreiben kann,
Regelungen über den Geltungsbereich, die Zusammensetzung des Gremiums,
dessen Organisation, die Grundprinzipien der Zusammenarbeit und den Themenkatalog,
sowie Tagungen und Kostenregelung, zeitliche Geltung (Kündigungsfristen)
und Sonstiges (Anwendbarkeit deutschen Rechts, Gerichtsstand usw.) enthalten.
Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Richtlinie einen breiten Gestaltungsfreiraum
begründet.
a) Bezeichnung
Es ist ratsam, nicht den Begriff "Europäischer
Betriebsrat" zu verwenden. Dadurch können Mißverständnisse bezüglich
des Umfanges der Rechte dieses Organs vermieden werden. Dagegen ist ein
Begriff wie "Europäische Zusammenarbeit", "Europa-Forum"
oder "Europäisches Gremium" zu bevorzugen.
b) Teilnehmer
Von besonderer Bedeutung ist die Festlegung
der Teilnehmer. Im Gegensatz zur Richtlinie bieten insoweit die freiwilligen
Vereinbarungen die Chance, in Übereinstimmung mit der Grundstruktur des
Wirtschaftsausschusses nach dem BetrVG die Teilnehmer gleichermaßen auf
Arbeitgeber- wie auf Arbeitnehmerseite einschließlich der leitenden Angestellten
zu bestimmen. Die Betriebsparteien können freiwillig vereinbaren, daß
die Informations- und Anhörungsrechte einem Gremium zustehen, das angemessen
sowohl von Arbeitgeberseite als auch von Arbeitnehmerseite besetzt ist.
Als Arbeitnehmervertreter sollten lediglich Mitglieder des nationalen
Betriebsrates gewählt werden können.
c) Tagungshäufigkeit und Tagungsort
Weiterhin bedarf es detaillierter Regelungen
zur Tagungshäufigkeit und zum Tagungsort. In der Regel soll die Tagungshäufigkeit
auf einmal im Jahr beschränkt werden. Sondersitzungen sollen nur in beiderseitigem
Einvernehmen möglich sein. Aus finanziellen und organisatorischen Gründen
ist es wichtig, als Tagungsort den Sitz der Zentralen Leitung zu bestimmen.
Vorbereitende Beratungen sollen nicht selbständig, sondern nur im Zusammenhang
mit der Tagung, möglicherweise am Vormittag oder am Tag zuvor stattfinden.
Die Tagungen können ferner - wenn zweckmäßig - an den Zeitpunkt der Wirtschaftsausschußsitzungen
oder der Hauptversammlung angebunden werden.
d) Tagungskosten
Die Tagungskosten muß die zentrale
Leitung tragen. Die Reise und Übernachtungskosten der betrieblichen Teilnehmer
können auf die jeweiligen Gesellschaften abgewälzt werden. Dagegen können
die Sitzungskosten z.B. nicht durch Einschränkung der Sitzungssprachen
begrenzt werden. Die Sitzungskosten sollten ein Jahr im voraus bestimmt
werden.
Eine Beschränkung der Kosten kann jedoch
durch eine Regelung erzielt werden, wonach die Hinzuziehung von Sachverständigen
nur im Einvernehmen mit der Zentralen Leitung erfolgen kann und zunächst
lediglich ein Sachverständiger aus dem Kreise der Betriebsangehörigen
zu wählen ist.
e) Informationsweitergabe
Des weiteren ist eine ausdrückliche
Regelung über die Informationsweitergabe notwendig. Die Mitglieder des
Europäischen Betriebsrates sollten höchstens bis zur Grenze des § 79 BetrVG
von der Geheimhaltungspflicht entbunden werden.
f) Geltungsdauer der Vereinbarung
Von besonderer praktischer Bedeutung
ist die Geltungsdauer der Vereinbarung. Eine Befristung der Vereinbarung
unter Ausschluß der ordentlichen Kündigung enthält für beide Seiten eine
erhebliche Rechtssicherheit gegenüber der jederzeit möglichen ordentlichen
Kündigung. Deshalb ist im Regelfall der Befristung der Vorzug zu geben,
selbst wenn nicht zu verkennen ist, daß die Richtlinie, insbesondere die
subsidiären Vorschriften im Falle des Ablaufs der Befristung einen erheblichen
Druck auf das Unternehmen auszuüben vermögen. Es ist in jedem Einzelfall
von Unternehmen zu Unternehmen, je nach der Struktur zu unterscheiden
und abzuwägen, ob die Befristung des freiwilligen Abkommens oder ob die
Kündigungsmöglichkeit bei unbefristeten Abkommen günstiger ist. In einer
freiwilligen Vereinbarung können an die arbeitnehmerseitige Kündigung
Mindestanforderungen gestellt werden, z.B. durch ein bestimmtes Quorum
der Arbeitnehmervertreter.
g) Gerichtsstandsklausel
Schließlich ist besonderes Augenmerk
auf die Gerichtsstandsklausel zu richten, weil - ungeachtet aller noch
verbleibenden Unsicherheiten - dadurch im Rahmen des § 38 Abs. 2 ZPO zumindest
die Chance eröffnet wird, den Unzuträglichkeiten des Art. 11 RL entgegenzuwirken.
Nur durch eine deutsche, auf den Sitz der Zentralen Leitung bzw. der entsprechenden
Leitungsebene bezogene Gerichtsstandsklausel kann dem Wirrwar dieser agierenden
Gerichtsstände in den Mitgliedsstaaten entgegengewirkt und eine einheitliche
Rechtswahl wie Rechtsanwendung sichergestellt werden.
3. Freiwillige Vereinbarung nach dem Entwurf der IG-Metall
Die IG-Metall hat einen Entwurf für
eine freiwillige Vereinbarung vorgelegt. Dieser Entwurf unterscheidet
sich von den Regelungen in der Richtlinie in den nachfolgenden Punkten
zu Lasten der Arbeitgeber.
a) Örtlicher Geltungsbereich
Der örtliche Geltungsbereich des Entwurfes
geht über die Richtlinie hinaus. Eine freiwillige Vereinbarung soll für
alle EU-Länder - inkl. Großbritannien -, alle EWR-Länder, die Schweiz
sowie für die assozierte Länder in Mittel- und Osteuropa gelten.
b) Zusammenarbeit
Der Entwurf enthält eine Regelung über
die Zusammenarbeit. Darin werden der Zentralen Leitung neben Rechten auch
Verpflichtungen auferlegt. Die Leitung des Unternehmens soll dafür zu
sorgen haben, daß Vereinbarungen, die mit dem Europäischen Betriebsrat
abgestimmt wurden, auch durchgeführt werden. Dies gilt insbesondere für
abhängige Unternehmen und dazugehörige Betriebe.
c) Zusammensetzung
Bei der Zusammensetzung des Europäischen
Betriebsrates bleibt die Unternehmensleitung unberücksichtigt. Dagegen
dürfen hauptamtliche Mitarbeiter einer Gewerkschaft Mitglieder des Europäischen
Betriebsrates sein.
d) Unterrichtungs- und Anhörungsrecht
Die Befugnisse und das Unterrichtungs-und
Anhörungsrecht des Europäischen Betriebsrates sind zu weit gefaßt. Zu
dem Themenkatalog, über den die zentrale Unternehmensleitung den Europäischen
Betriebsrat vierteljährlich unterrichten soll, gehören neben den im Anhang
zu Art. 7 vorgeschriebenen Themen auch der Stand und Entwicklungstendenzen,
die Qualifikation der Beschäftigten, Aus- und Weiterbildungsaktivitäten,
Fragen der Entlohnung, Entwicklung der Arbeitszeit und der Arbeitsbedingungen,
Fragen des Arbeits- und Umweltschutzes, Entwicklung der Sozialleistungen,
Produktions- und Investitionsprogramme, Rationalisierungsvorhaben sowie
sonstige Vorgänge und Vorhaben, welche die Interessen der Arbeitnehmer
des Unternehmens wesentlich berühren können.
Die Unterrichtung und Anhörung soll
so rechtzeitig erfolgen, daß die erarbeiteten Standpunkte des Europäischen
Betriebsrates in die Entscheidung des Unternehmens noch einfließen können.
Der Begriff der Anhörung wird als Beratung
und Verhandlung verstanden. Die Unterrichtung durch die Zentrale Leitung
des Unternehmens erfolgt auf der Grundlage eines von der Zentralen Leitung
vorgelegten Berichts, der dem Europäischen Betriebsrates mindestens drei
Wochen vor der Anhörung zugegangen sein muß.
Wenn außerordentliche Umstände eintreten,
die erhebliche Auswirkungen auf die Interessen der Arbeitnehmer - insbesondere
bei beabsichtigten Verlegungen oder Schließungen von Unternehmen bzw.
Betreiben und/oder Massenentlassungen - haben, soll nach den Vorstellungen
der IG-Metall der Europäische Betriebsrat zusammentreten und über die
Maßnahme von der zentralen Leitung unterrichtet und angehört werden. Zu
diesen Sitzungen können die Interessenvertreter der betroffenen Standorte
als zusätzliche Sachverständige auch dann eingeladen werden, wenn sie
nicht im Europäischen Betriebsrat vertreten sind.
Vorgesehen ist weiterhin, daß die unternehmerische
Maßnahme vor vollständiger Unterrichtung und Anhörung des Betriebsrates
nicht durchzuführen ist. Kommt es zwischen den Parteien zu Meinungsverschiedenheiten,
soll die Maßnahme bis zu einem Monat ausgesetzt werden, was in der Unternehmenspraxis
dazu führen kann, daß sachfremder Druck auf die Unternehmensleitungen
ausgeübt wird, um bestimmte Unternehmerentscheidungen durchzusetzen. In
diesem Zusammenhang kann der Betriebsrat einen Sachverständigen hinzuziehen.
Während der Aussetzungsfrist soll der Versuch unternommen werden, eine
einvernehmliche Lösung zu finden.
e) Sitzungsort, -häufigkeit und -dauer
Die Bestimmung des Sitzungsortes soll
zwischen dem Vorsitzenden des Europäischen Betriebsrates und der zentralen
Leitung erfolgen. Der Europäische Betriebsrat soll sich neben der ordentlichen
Sitzung mindestens ein weiteres Mal im Jahr treffen. Außerordentliche
Sitzungen sind bei außergewöhnlichen Umständen oder bei entsprechendem
Verlangen von 25% der Mitglieder des Europäischen Betriebsrates oder von
Vertretern mindestens zwei Ländern vorgesehen.
Die regelmäßige Sitzungsdauer wird
auf in der Regel zwei Tage festgesetzt. Vor der Sitzung soll es dem Europäischen
Betriebsrat ermöglicht werden, eine interne Sitzung abzuhalten. Die übrigen
Sitzungen sollen einen Tag dauern.
f) Sachverständige
Der Europäische Betriebsrat soll sich
- natürlich auf Kosten der Arbeitgeber - mindestens einen externen Sachverständigen
als ständigen Berater halten und die Hilfe weiterer Sachverständiger in
Anspruch nehmen dürfen, soweit dies erforderlich ist. Sowohl die Sachverständigen
als auch die Mitglieder des Europäischen Betriebsrates sollen Zugang zu
jedem Betrieb des Unternehmens haben.
g) Kosten
Die Zentrale Leitung hat alle anfallenden
Kosten einschließlich der Dolmetscherkosten sowie die Aufenthalts- und
Reisekosten für die Mitglieder des Europäischen Betriebsrates, der Ausschüsse
sowie der Sachverständigen zu tragen.
h) Kündigungsschutz
Es ist des weiteren ein umfassender,
in der Richtlinie nicht ansatzweise wiederzufindender Kündigungsschutz
der Mitglieder des Europäischen Betriebsrates vorgesehen. Die Mitglieder
sollen während der Amtsperiode oder in den folgenden zwei Jahren nur gekündigt
werden dürfen, wenn die nationalen Gesetze dies erlauben und der Europäische
Betriebsrat zugestimmt hat.
i) Geheimhaltungspflicht
Den Mitgliedern und Ersatzmitgliedern
des Europäischen Betriebsrates soll eine Geheimhaltungspflicht auferlegt
werden. Betriebsgeheimnisse sollen nur solchen betrieblichen Arbeitnehmervertretern
bekannt gemacht werden, die ihrerseits zur Geheimhaltung verpflichtet
sind, d.h. gegenüber Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat, Einigungsstellen
und Schlichtungsverfahren. Dadurch wird der Kreis der Informierten so
weit gefaßt, daß der Schutz der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse praktisch
leerläuft.
j) Teilnahme an Schulungsveranstaltungen
Des weiteren wird den Mitgliedern des
Europäischen Betriebsrates ein Anspruch auf Teilnahme an Schulungs- und
Weiterbildungsveranstaltungen in den Bereichen Fremdsprachen, Arbeitsrecht
in den EU-Mitgliedstaaten und Ökonomie auf Kosten des Arbeitgebers eingeräumt,
was einen lebhaften "Euro-Betriebsrats-Tourismus" zur Folge
haben wird.
k) Regelungen über Streitigkeiten
In dem Entwurf ist eine paritätisch
besetzte Schlichtungsstelle für Streitigkeiten aus der Durchführung der
freiwilligen Vereinbarung vorgesehen, die aus drei Mitgliedern jeder Seite
und einem neutralen Vorsitzenden bestehen soll. Für Streitigkeiten ist
das Arbeitsgericht am Ort der Zentralen Leitung zuständig. Vorgesehen
ist außerdem ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers, der durch die
Nichtbeachtung einer Vereinbarung wirtschaftliche Nachteile erleidet.
4. Kritik an dem Entwurf der IG-Metall
Der Entwurf der IG Metall ist stark
an das Modell des deutschen Betriebsverfassungsrechts angelehnt. Das deutsche
Modell mit seinen verschiedenen Ebenen ist "Spitze", und zwar
"Spitze" in dem Sinne, daß auf gesetzlicher Basis in keinem
anderen EG-Land den Arbeitnehmern so umfassende Rechte eingeräumt sind.
Im einzelnen ist folgendes zu beachten:
a) örtlicher Geltungsbereich
Der örtliche Geltungsbereich der freiwilligen
Vereinbarung ist zu weit gefaßt. Es besteht keine rechtliche Notwendigkeit,
Betriebe in Großbritannien und außerhalb der EU mit einzubeziehen.
Auch der Begriff des beherrschten Unternehmens
wird zu weit gefaßt. Bisher können nur Unternehmensgruppen, die einen
Konzern im Sinne des § 18 AktG bilden, davon ausgehen, daß sie von der
Richtlinie über den Europäischen Betriebsrat erfaßt werden.
b) Unterrichtung und Anhörung
Bezüglich der Unterrichtung und Anhörung
geht der Entwurf der IG-Metall weit über das hinaus, was nach der Richtlinie
notwendig ist. Die Vereinbarung einer vierteljährlichen schriftlichen
Unterrichtung des Europäischen Betriebsrates stellt eine starke Belastung
der zentralen Leitung dar. Eine Unterrichtung jährlich im Zusammenhang
mit der Sitzung reicht vollkommen aus.
c) Themenkatalog
Auch der Themenkatalog ist wesentlich
weiter gefaßt als in der Richtlinie vorgesehen. Fragen über Arbeitszeit
und Entwicklungen, Aus- und Weiterbildungsaktivitäten, Entwicklung von
Sozialleistungen, Produktions- und Investitionsprogrammen, Rationalisierungsvorhaben
sowie Fragen des Arbeits- und Umweltschutzes sind in dem Anhang zu Art.
7 nicht vorgesehen. Eine Anhörung und Unterrichtung über diese Themen
ist nicht erforderlich, da es nicht um länderübergreifende Angelegenheiten
geht, die einer einheitlichen Regelung und Entwicklung bedürfen.
d) Rechte des Europäischen Betriebsrates
In dem Entwurf der IG-Metall werden
dem Europäischen Betriebsrat Initiativrechte zugesprochen, was eine Erweiterung
der in der Richtlinie vorgesehenen Rechte darstellt.
Auch die Verpflichtung zur Unterrichtung
im Falle außergewöhnlicher Umstände ist weitergehend als im Anhang vorgesehen.
Dieser sieht vorrangig eine Unterrichtung des Ausschusses und nur bei
dessen Nichtvorhandensein eine Unterrichtung des Europäischen Betriebsrates
vor.
Der Europäische Betriebsrat besitzt
nach der Richtlinie kein Mitbestimmungsrecht. Von daher kann es auch nicht
- wie bei Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes - zur Verzögerung
oder gar Verhinderung von notwendigen Unternehmensentscheidungen kommen,
wenn sich die Vereinbarung auf die Vorgaben der Richtlinie beschränkt.
Von der freiwilligen Einführung eines Mitbestimmungsrechtes kann nur dringend
abgeraten werden.
e) Regelungen über Streitigkeiten
Es gibt keine Notwendigkeit, eine Schlichtungsstelle
für Konfliktlösungen einzurichten. Zu begrüßen ist allerdings die Festlegung
des Gerichtsstandes auf den Ort der Zentralen Leitung.
Die Einsetzung einer Schlichtungsstelle
ist im Anhang nicht vorgesehen. Da der Europäische Betriebsrat nach Sinn
und Zweck der Richtlinie nur Beratungsfunktion und keine Mitbestimmungsrechte
hat, ist eine Schlichtungsstelle auch nicht erforderlich.
f) Dauer der Sitzungen
Die zeitliche Dauer der Sitzungen ist
zu lang bemessen. Eine Begrenzung der Dauer ist notwendig, damit solche
Veranstaltungen nicht unbegrenzt in die Länge gezogen werden können. Den
Mitgliedern der unterschiedlichen Länder soll zwar die Möglichkeit der
Zusammenkunft gegeben werden. Es ist jedoch vollkommen ausreichend, diese
auf den Anreisetag zu beschränken.
g) Anzahl von Sachverständigen
In der Richtlinie ist eine zahlenmäßige
Begrenzung der externen Sachverständigen nicht vorgesehen. Sachverständige
sind zu beauftragen, wenn dies "erforderlich" ist. Die Festlegung
eines ständigen Beraters geht weit über das rechtlich Geforderte hinaus.
Die Richtlinie enthält auch keine besonderen Zugangsrechte der Sachverständigen
zu den Betrieben.
h) Kündigungsschutz
Der in dem Entwurf der IG-Metall vorgesehene
Kündigungsschutz fordert einen Sonderkündigungsschutz über die Amtszeit
hinaus für weitere 2 Jahre. Dies ist u.a. deshalb problematisch, da der
Entwurf anders als das deutsche Betriebsverfassungsgesetz keine Ersetzung
der Zustimmung vorsieht. Hinzu kommt, daß durch das Zustimmungserfordernis
die Möglichkeiten einer Kündigung fast ausgeschlossen werden, da die Zustimmung
des Europäischen Betriebsrates voraussetzt, daß dieser zu diesem Thema
eine außerordentliche Sitzung einberuft. Ungeklärt ist, wer überhaupt
für die Ersetzung der Zustimmung zuständig ist.
i) Geheimhaltungspflicht
Unbedingt erforderlich ist eine Regelung
über die Geheimhaltungspflicht. Sie ist unerläßlich, da im Hinblick auf
die Unterrichtung über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens besondere
Geheimhaltung unbedingt erforderlich ist. Der Kreis derjenigen, die über
die wirtschaftliche Lage des Unternehmens Bescheid wissen, sollte aus
diesem Grund so klein wie möglich bleiben.
j) Weiterbildung und Qualifizierung
Der Anspruch auf Weiterbildung und
Qualifizierung ist in dem Anhang zu Art. 7 nicht vorgesehen. Die Übernahme
solcher Kosten und die Freistellung von Arbeitnehmern für solche Veranstaltungen
geht wesentlich weiter als notwendig. Weiterbildung in den im Entwurf
genannten Bereichen ist nicht nötig. Den Mitgliedern des Europäischen
Betriebsrates werden für die Sitzungen Dolmetscher zur Verfügung gestellt,
für Fragen der Volkswirtschaft und Rechtsfragen können Sachverständige
engagiert werden. Außerdem ist die Funktion der Mitglieder des Europäischen
Betriebsrates lediglich beratend.
IV. Umsetzung der Richtlinie in das deutsche Recht
Die Bundesregierung hat inzwischen
einen Gesetzesentwurf für die Umsetzung der Richtlinie vorgelegt. Das
entsprechende Gesetz soll fristgerecht vor dem 22. September 1996 vom
Parlament verabschiedet werden. In § 41 stellt der Entwurf jedoch klar,
daß die Bestimmungen des Gesetzes nicht anwendbar sind, wenn eine Vereinbarung
vor dem 22.09.1996 geschlossen wird. Der Entwurf ist stark am Betriebsverfassungsgesetz
orientiert und gewährt den Mitgliedern des Europäischen Betriebsrates
nahezu alle Rechte, die die Mitglieder deutscher Betriebsräte haben, z.B.
Kündigungsschutz, Recht zur Teilnahme an Schulungsveranstaltungen. Dadurch
wird die Stellung der Mitglieder des Europäischen Betriebsrates aufgewertet.
Der Entwurf stellt klar, daß es sich bei den Begriffen "Unterrichtung
und Anhörung" nach dem Sinn der Richtlinie nicht um Beratungs- oder
Zustimmungsrechte des Europäischen Betriebsrates handelt. Die geplante
Umsetzung der Richtlinie führt also im Ergebnis dazu, daß neben dem nationalen
Betriebsrat eine weitere Arbeitnehmervertretung entsteht, die weite Rechte
bekommt und den Unternehmen hohe Kosten verursacht. Ob dies dem Standort
Deutschland nutzt, darf bezweifelt werden.
Auch wenn im Gesetzgebungsverfahren
Korrekturen vorgenommen werden ist davon auszugehen, daß der deutsche
Gesetzgeber dem Europäischen Betriebsrat mehr Rechte gewähren wird, als
in der Richtlinie vorgesehen ist. Entscheidend ist, daß die Stellung der
Mitglieder des Europäischen Betriebsrates der Stellung der Mitglieder
des nationalen Betriebsrates angeglichen werden soll, wodurch die unternehmerische
Freiheit weiter eingeschränkt wird.
Bereits die Richtlinie wurde aufgrund
ihres zentralistischen Ansatzes stark kritisiert. Es wurde beanstandet,
daß die Richtlinie den meisten nationalen Systemen der Arbeitnehmerbeteiligung
widerspreche und die erheblichen, strukturellen nationalen Unterschiede
der Mitwirkung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertreter in den EU-Mitgliedstaaten
zu wenig berücksichtige. Die Umsetzung der Richtlinie hat zur Folge, daß
der Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetz europaweit ausgedehnt
wird, soweit es sich um Unternehmen handelt, deren zentrale Leitung ihren
Sitz in Deutschland hat.

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